08.02.2013 - Mittelbayerische Zeitung

Etikette-Training á la "Pretty Woman"

Benimmcoach Thomas Martin Köppl weihte Schülerinnen der Mädchenrealschule bei einem Abendessen in die Geheimnisse des guten Benehmens ein.

VON ANDREEA RIEDER


Die Schülerinnen schauen dem Benimmexperten aufmerksam zu, wie er die Serviette faltet, und machen es ihm nach. Foto: Rieder


SCHWANDORF. Wer kennt sie nicht, die berühmte Szene aus dem Kultfilm "Pretty Woman", in der Julia Roberts alias Vivian die "schlüpfrigen Scheißerchen" durch das Restaurant katapultiert? Oder jene Szene, in der sie sich vom Hotelmanager das Sammelsurium an verschiedenen Gabeln erklären lässt. Schulleiterin Marlies Hoffmann ruft ihren Mädels aus der neunten Klasse diese Szenen zum Einstieg in die bevorstehende Veranstaltung in Erinnerung - und deren Reaktion zeigt: Die Szenen sind ihnen besonders bekannt.


Es ist Freitagabend und die Schülerinnen der Mädchenrealschule haben sich im Restaurant Schwefelquelle eingefunden, schick angezogen und bereit für ihr allererstes Geschäftsessen. Benimmcoach Thomas Martin Köppl soll sie in die Geheimnisse des guten Benehmens einweisen. Ihnen soll es später eben nicht so ergehen, wie der berühmten Filmheldin. Immerhin zeige der Film, wie wichtig es sein kann, sich bei einem Geschäftsessen souverän verhalten zu können, sagt die Schulleiterin.


Ein Glas Sekt zur Begrüßung wartet auf die Mädels – und damit schon die erste Regel. „Ein Glas muss klingen“, sagt der Benimmexperte. Und klingen könne es nur, wenn es am Stiel gehalten werde. Aber halt! Wer jetzt mit seiner Nachbarin anstoßen wollte, wird jäh von Köppl gebremst. Klingen können muss ein Glas nämlich nur rein theoretisch. In der Praxis wird gar nicht angestoßen. „Man hebt das Glas und neigt es seinem Gegenüber zu“, erklärt der Coach. Wichtig dabei: Blickkontakt halten!


Gesagt, getan! Die erste Hürde wäre damit geschafft. Ein paar davon wird es an diesem Abend aber noch geben. „Ich habe Gerichte ausgesucht, die ein bisschen schwieriger zu essen sind“, kündigt Köppl an und schmunzelt. Immerhin verrät ein Blick auf die Speisekarte: „Schlüpfrige Scheißerchen“ sind nicht dabei! Dafür Blattsalat und der hat es ganz schön in sich. Die Salatblätter, und sind sie auch noch so groß, dürfen nämlich nicht geschnitten werden. „Salat wird gefaltet“, lautet eine weitere Regel, die die Schülerinnen beim ersten Gang des Vier-Gänge-Menüs gleich in die Tat umsetzen dürfen. Zuvor wurden sie aber noch in den korrekten Umgang mit der Serviette eingewiesen. Diese gehöre einmal zusammengefaltet, mit der offenen Seite zum Körper hin auf den Schoß gelegt – „wo sie bleibt, solange der Gast am Tisch sitzt, auch wenn der letzte Gang schon abgeräumt ist“. Und dann wartet alles auf das Signal des Gastgebers. Erst wenn dieser zum Besteck greift, dürfen auch die Gäste zu essen beginnen.


Ob es bei einem Geschäftsessen tatsächlich einmal entscheidend sein wird, ob der Salat „Knigge-gerecht“ gefaltet oder doch fälschlicherweise geschnitten wird? Benimmcoach Thomas Martin Köppl ist auf jeden Fall davon überzeugt, dass richtiges Benehmen in jeder Situation wichtig ist. Als gelernter Restaurantfachmann hat er viel erlebt, das ihm gegen den Strich geht. Der Umgang mit dem Besteck zum Beispiel, den würden heutzutage viele Kinder nicht mehr beherrschen. So etwas müsste von klein auf automatisiert werden, findet der Benimmcoach. Deshalb geht er mit seinen Seminaren auch in Grundschulen. Spielerisch will er den Kindern gutes Benehmen beibringen. Ihm selbst seien Umgangsformen auch von Kindesbeinen an nahegelegt worden, so beschreibt er es auf seiner Homepage.


Köppl ist Mitglied in der deutschen Kniggegesellschaft. Seit sechs Jahren arbeitet er unter anderem als selbstständiger Benimmcoach, Motivationstrainer und Moderator. Er bietet zum Beispiel Kurse für Schüler, Vereine, Brautpaare und Firmen an. Von seinem Heimatort Rinchnach im Bayerischen Wald aus bereist er ganz Deutschland. Auch für Auslandreisende bietet der Benimmtrainer Hilfe an. „Ich habe 52 Länder auf Lager“, sagt er von sich selbst.


In der Schwefelquelle schreitet das fingierte Geschäftsessen weiter voran. Mit jedem Gang arbeiten sich die Schülerinnen beim Besteck von außen nach innen vor – so wie sie es von „Pretty Woman“ gelernt haben und wie es auch Köppl noch einmal erklärte. Zwischen jedem Gang gibt ihnen der Benimmcoach weitere Regeln für ein korrektes und souveränes Auftreten während eines Geschäftsessens mit an die Hand.


Das Projekt „Höflichkeit macht Schule“ gibt es an der Mädchenrealschule St. Josef schon seit einigen Jahren. Neu war allerdings das Geschäftsessen mit Benimmcoach Thomas Martin Köppl. Vorausgegangen war ein Projekttag mit dem Benimmcoach, bei dem die Schülerinnen schon viel über Etikette gelernt haben. Die korrekte Anrede, sich vorstellen und begrüßen – das war für die jungen Damen beim Dinnerabend kein Problem mehr. Abschluss ist ein Projektabend, bei dem die Schülerinnen die Inhalte ihren Eltern und Projektbetreuern vorstellen. Seit letztem Schuljahr ist ein solches Projekt Pflicht für die Mädchenrealschülerinnen. Es wird benotet und fließt wie eine Schulaufgabennote in das Zeugnis ein.


Als reine Pflichtaufgabe war das Benimmtraining in der Schwefelquelle aber nicht zu verstehen. „Ihr dürft auch genießen“, sagte Lehrerin Irmgard Bink zu den Mädels. Immerhin warte ein erstklassiges Menü auf die Seminarteilnehmerinnen: Dem Salatteller Naturell mit dem Wacholderschinken folgte Rinderessenz Diplomat mit Lauchjulienne, Bisquit und Bratnockerl. Danach wurden Schweinemedaillons „Piccata Milanese“ auf pikanter Tomatenjus und Spaghetti an Basilikumöl aufgetischt. Als krönenden Abschluss gab es „vive le desser“, Palatschinken mit Vanilleeis und Fruchtsaucen.